Nur Der Mann Im Mond Schaut zu by Carin Gerhardsen

Nur Der Mann Im Mond Schaut zu by Carin Gerhardsen

Autor:Carin Gerhardsen [Gerhardsen, Carin]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783838702360
Herausgeber: BASTEI LÜBBE
veröffentlicht: 2013-01-10T23:00:00+00:00


Montagabend

Schon am Morgen hatte Hanna vorausschauend gehandelt und alle Packungen aus dem Tiefkühlfach gezogen, denen sie von außen ansehen konnte, was sich darin befand. Jetzt kniete sie auf Papas Stuhl in der Küche und aß kalte, aber nicht mehr gefrorene Fleischklößchen direkt von der Tischplatte. Am Vormittag hatte sie eine ungeöffnete Packung Leberpastete im Kühlschrank gefunden und hatte nach langem Zögern schließlich doch das große Messer benutzt, um sie aufzumachen. Und es war ihr gelungen, ohne dass sie sich dabei geschnitten hatte. Dann hatte sie die ganze Leberpastete ohne Brot verschlungen, aber es war lecker gewesen, und satt war sie auch geworden.

Am Morgen hatte sie erst eine Weile in ihrem Zimmer gespielt, aber sie hatte sich einsam dabei gefühlt. Obwohl sich außer ihr niemand in der Wohnung befand, fühlte sie sich sicherer, wenn sie in einem der Zimmer war, in dem sich sonst auch der Rest der Familie aufhielt. Sie hatte ihren kleinen Puppenwagen voll mit Spielsachen geladen und ihn ins Wohnzimmer gezogen. Anschließend hatte sie den Rest des Tages mit ihren Spielsachen vor dem Fernseher verbracht. Obwohl sie das meiste von dem, was sich auf dem Bildschirm abspielte, nicht verstehen konnte, war es ihr lieber, sich in einem Raum voller Stimmen und Geräusche aufzuhalten. Als sie sich am Nachmittag langsam müde zu fühlen begann, hatte sie sich eine Weile im Bett der Eltern schlafen gelegt und war erst wieder aufgewacht, als die Sonne schon niedrig am Himmel stand.

»Dumme Barbro«, sagte sie laut vor sich hin.

Diese dumme Barbro, die versprochen hatte, zu kommen und sie zu retten. Sie hatte zwar gesagt, dass es eine Weile dauern könnte, aber jetzt hatte Hanna schon eine Ewigkeit gewartet. Und den ganzen Tag hatte niemand angerufen. Nicht einmal Mama. Wenigstens Mama könnte doch anrufen und eine Weile mit ihr reden. Auch wenn sie nicht mehr hier wohnen wollte. Hanna hatte selber versucht anzurufen, aber nirgendwo war jemand ans Telefon gegangen. Sie stopfte sich noch ein Fleischklößchen in den Mund, und das war so groß, dass der Mund ganz voll davon wurde.

»Gumme Gaggo«, kam heraus, als sie zu sprechen versuchte.

Das klang lustig. Sie lachte, dass ihr die Fleischklößchenbröckchen aus dem Mund flogen.

»Gumme Gaggo«, sagte sie mehrere Male, bis es irgendwann wieder wie »dumme Barbro« zu klingen begann.

Die Fleischklößchen, die sie nicht mehr schaffte, legte sie in die Verpackung zurück, die sie auf dem Tisch stehen ließ. Im Kindergarten mussten die Kinder, die keine Windeln mehr trugen, nach dem Essen auf die Toilette und Pipi machen, also machte Hanna es genauso. Es hatte sogar richtig gut geklappt. Nur ein einziges Mal hatte sie Pipi in die Hose gemacht, und da konnte sie es sogar anhalten und schnell auf die Toilette laufen und ihr Pipi zu Ende machen. Wenn Papa nach Hause kam, würde er zufrieden darüber sein, dass sie so etwas schon konnte. Wenn er überhaupt irgendwann nach Hause kommen würde.

Als sie nach dem Toilettenbesuch auf ihrem kleinen, weißen Schemel stand und sich die Hände wusch, klingelte das Telefon. Zum ersten Mal an diesem Tag klingelte das Telefon.



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